Als Leo sie umarmte, zuckte die Milkovich unwillkürlich zusammen. Was machte er hier? Er hatte hier nichts zu suchen, niemand hatte hier etwas zu suchen. Niemand sollte sie so sehen. So schwach, so verletzlich... "Nicht anfassen.", zischte sie auf Russisch, den Blick dabei immer nur stur aus dem Fenster gewand. Ihre rechte Wange war gerötet, auf ihrem Wangenknochen verfärbte sich die Haut lila. Leo würde sich nur unnötig Sorgen machen...
Energisch drehte ich sie um und packte sie an den Schultern. Erschrocken musterte ich sie. Ihre Lippe war blutig und auf ihrer Wange zeichnete sich ein blauer Fleck ab. Mein Griff um ihre Schultern wurde fester und ich sah ihr in die Augen. "Was ist passiert?" Eindringlich sah ich sie an. Wer auch immer das gewesen war, ich würde ihn finden und ihm sämtliche Knochen brechen.
Alaska versuchte vergebens sich aus seinem Griff zu befreien. "Lass das! Geh weg! Das geht dich nichts an!", sie begann ihn anzuschreien, auch wenn sie das eigentlich nicht wollte. Sie mochte Leo, mehr als sie es sich eingestand, er hatte es nicht verdient so behandelt zu werden. Er wollte sich doch nur um sie kümmern... Doch in Alaska hatte sich wieder eine Mauer hochgezogen, eine Mauer die schwer zu durchbrechen war. Diese Mauer schützte sie, sie schützte sie davor noch mehr verletzt zu werden.
Ich sah sie weiterhin an und ließ sie schreien. "Du kannst mich anschreien, mich schlagen, treten oder beißen. Alles kein Problem, wenn du mir danach sagst, was passiert ist." meinte ich ruhig zu ihr. Ich strich ihr vorsichtig über die Wange und ließ dann meine Hände sinken, blieb jedoch vor ihr stehen und sah sie geduldig an.
Einen Moment lang starrte sie Leo perplex an. Wieso war er so nett zu ihr? Das verstand sie nicht... Dennoch machte seine Aussage sie nur noch aggressiver. Das waren doch eh alles Lügen, er würde sie verlassen und zuvor noch zu Boden treten, wie es alle taten. "Hör auf damit! Ihr seid doch alle gleich! Ich bin nicht mehr so naiv, ihr schafft es nicht mehr mich zu verletzen! Keiner schafft das!", schrie sie und schlug mit den Fäusten auf seine Brust ein, "Ich hasse dich! Ich hasse euch alle! Lasst mich in Ruhe!", sie wurde immer hysterisch bis sie irgendwann aufgab und weinend zu Boden sank. Niemand konnte sie verletzen...
Ich hielt sie nicht auf und stand einfach nur da. Wer hatte sie nur so verletzt? Es machte mich so unfassbar wütend, doch ich zeigte es nicht, das würde ihr jetzt nicht helfen. Auch ihre Worte ließ ich nicht nah an mich ran, auch wenn es mir ein kleinen Stich versetzte, als sie sagte, dass sie mich hasst... das würde ich nicht verkraften... plötzlich wurde ich bewusst, wie sehr ich dieses Mädchen mochte. Erschrocken sah ich sie an, als sie weinend zusammenbrach. Ich setze mich neben sie und zog sie in meine Arme. Beruhigend strich ich ihr über das Haar. "Ganz ruhig, Kleines. Alles wird wieder gut. Niemand wird dich je wieder verletzen, versprochen. Ich pass auf dich auf, okay?" Ich lächelte sie an und wiegte sie wie ein kleines Kind hin und her.
Die Slytherin vergrub das Gesicht in seinem Oberteil und schluchzte leise. Langsam beruhigte sie sich wieder, so war es immer. Erst war sie wütend und schlug auf alles und jeden ein, dann brach sie zusammen und wurde wieder mehr oder minder normal. Es gab so viel, was sie ihm gerne sagen würde. Noch nie hatte sie jemanden gehabt, der sie in einem solchen Moment auffing. Sie hatte Angst, dass auch er irgendwann gehen würde, weshalb ein stummes Bitte verlass mich nie auf ihren Lippen hing. Doch alles was sie sagte war: "Es tut mir leid."
Ich strich ihr wieder über das dunkle Haar und lächelte leicht. Ich würde sie wohl nie verstehen, aber das wollte ich auch gar nicht. Solange sie mich nicht von ihr stieß und meine Nähe zuließ, würde ich alles für sie tun. Ich würde für sie kämpfen und nicht im Stich lassen, dass stand für mich fest. "Für was denn? Du brauchst dich nicht entschuldigen." Ich drückte ihr leicht meine Lippen aufs Haar und hob dann ihren Kopf an. Ich hielt ihn so fest, dass sie mich ansehen musste. "Aber bitte, sag mir, wer dir das angetan hat." Flehend sah ich sie an. Es tat mir weh, sie so zu sehen.
"Ich wollte nie, dass mich irgendwer so sieht... Bisher kam ich immer allein klar.", sie seufzte leise und sah Leo direkt in die Augen. Wie schaffte dieser Kerl es nur, ihr die Sinne zu rauben und sie dazu zu bringen ihm vollends zu vertrauen? "Mein Vater war da...", war alles was sie auf seine Frage antwortete. Sie wollte ihm nicht die ganze Geschichte erzählen. Vor ihm war ihr das peinlich, er sollte kein schlechtes Bild von ihr haben...
"Dein Vater?" Ich schnaubte wütend und ballte die Hände zu Fäusten. Wie war ein Mensch nur zu sowas fähig? Ich sah sie an und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Das er dich sogar hier in der Schule terrorisieren muss, ist doch das letzte." Meine Stimme wurde eine Spur kälter, doch ich versuchte, meinen Zorn herunter zu schlucken. Am liebsten würde ich ihr nie wieder von der Seite weichen. "Wenn ich ihn jemals begegne, bringe ich ihn um!" Ich zog sie wieder näher an mich ran und sah aus dem Fenster. Dieses Schwein.
"Ich... Im Grunde habe ich es doch nicht anders verdient...", murmelte sie und Biss sich wieder auf die Lippe. Die Wunde, die sich eben erst geschlossen hatte, platzte wieder auf, aber das störte sie nicht. Du bist eine verdammte Hure!, so hatte es ihr Vater zwar nicht formuliert, aber sie wusste, dass es so gemeint war...
Wütend knirschte ich mit den Zähnen und schüttelte heftig den Kopf. "Wer hat dir diesen Scheiß eingeredet? Er?" Ich hatte sie wieder an den Schultern gepackt und schüttelte sie. Doch dann hielt ich inne und sah sie an. "Du blutest ja..." Sanft strich ich ihr mit dem Daumen über die Wunder und sah ihr dabei in die Augen- in diese wunderschönen, blauen Augen. "Hör auf, so zu denken. Niemand hat sowas verdient, vor allem du nicht. Du bist ein wundervoller Mensch, lass dir nichts anderes einreden." Meine Hand lag immer noch unter ihrem Kinn und mein Daumen strich ihr nochmal über die Lippen. Ich war kurz davor, sie näher ran zu ziehen und meine Lippen auf ihre zu legen, stockte jedoch. Was würde sie davon halten? Ob sie es wollte? Ich ließ meine Hand sinken und lächelte sie sanft an.
Alaska sah ihn aus großen Augen an. Er war so sanft, so liebevoll... Fühlte es sich so an, wenn man geliebt wurde? Vielleicht waren solche Dinge wie Liebe gar nicht so schlecht... Wenn sie nicht schon so oft im Stich gelassen worden wäre, würde sie sich das vielleicht auch eingestehen... "Du hast nicht gehört was er gesagt hat und du weißt nicht, was ich getan habe. Wenn du es wüsstest, würdest du genauso denken wie er." Für einen Moment hatte sie wirklich gedacht er wolle sie küssen, aber er schien es nicht zu wollen. Irgendwie deprimierte sie das ein wenig.
"Nein." Entschlossen sah ich sie an. In diesem Moment gab es nichts, was mein Bild von ihr trüben würde. Und wenn doch, würde ich lernen, damit umzugehen. Merkte sie denn nicht, dass sie mir vollkommen vertrauen konnte? Ich betrachtete sie nachdenklich und hatte dabei eine ihrer Haarsträhnen zwischen den Fingern. "Sag es mir und ich werde mir meine Meinung darüber bilden." Ich lächelte sie an. "Aber du wirst es trotzdem nicht schaffen, mich zu vergraulen."
"Ich habe mit so einem Kerl aus dem Ministerium geschlafen... Ein Kollege meines Vaters, ziemlich jung und hübsch... Mein Vater hat das herausgefunden...", Alaska sah ein wenig betreten zu Boden. Sie ging immer offen mit ihrem Liebesleben rum und im Grunde wusste ja auch jeder, wie sie war. Doch Leo sollte einfach kein schlechtes Bild von ihr haben, warum auch immer. "Ich weiß, ich bin eine verdammte Schlampe. Der Meinung ist sogar mein Vater. Es ist ok, wenn du jetzt gehst."